Leseproben aus der Anthologie: In der Weihnachtsmetzgerei

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„Kettensägen-Klaus Is Coming to Town“ von Dron

Er spielt kurz mit dem Gedanken, alles hinzuwerfen, seine Waffe zu schnappen und seinen Opfern ganz klassisch den Schädel zu durchlöchern. Aber er verwirft diese irre Idee kurz darauf, denn sie verstößt gegen alle seine Prinzipien. Und Klaus vertritt die Meinung, dass ein Mann alles machen kann, alles, außer gegen seine eigenen Regeln zu verstoßen. Sobald ein Mann innerhalb seiner Wertevorstellungen handelt, handelt er gemäß seiner Natur. Er kann ein Mörder sein oder ein skrupelloser Verbrecher, doch solange er nach seinen Regeln lebt, ist er wenigstens ehrlich. Und Klaus hat sich eben geschworen, nie ein Menschenleben zu nehmen, ohne ehrwürdig Abschied zu nehmen.

 

„Santas Helfer“ von Patrick Roche

„Jetzt machen sie sich nicht einmal mehr die Mühe, die Toten von der Straße zu schaffen“, sagte Clara. Ihre Stimme klang blechern unter der Atemschutzmaske.

Ich zog meinen Mantel zu, zog ihn mit dem Hanfseil fester und nickte stumm. Das glitschige Schmatzen unserer Stiefel in der Schneesülze wurde vom Pfeifen eines eisigen Windes begleitet, der durch die grauen Straßenschluchten der Stadt wehte. Ringsum waren schwarze Leichensäcke auf den Bürgersteigen aufgetürmt. In diesen Häusern lebte schon lange niemand mehr. An manchen Stellen waren die Leichensäcke so hoch gestapelt, dass sie bis zu den Fenstern im ersten Stock reichten. Hier steckte die Regierung die toten Körper zumindest noch in Säcke. In den Slums hingegen lagen sie einfach so herum: steif und aneinander festgefroren, ausgemergelt, mit schmerzverzerrten Gesichtern und nackt – ausgeraubt von Plünderern. Hier, im „grünen Bezirk“, dem einzigen, in dem es zumindest teilweise fließend Wasser und Strom gab, hatten die Soldaten die Toten noch weggeschafft. Wahrscheinlich, um sie irgendwo zu verbrennen. Aber seit einigen Wochen kamen die „Müllwagen“ immer seltener.

 

„HOHOHO-C10H15N“ von howtokillachild

Pünktlich um 8.30 Uhr bin ich bei meinem Herzensbruder. Im Gepäck zwei Flaschen billigsten Wodkas, billigsten Mischsafts und ein voll aufgefüllter PEZ-Spender (Kopf: Marshmallow Man). Keinschlaf ist seit dem Vortag wach und freut sich, mich zu sehen. Ich freue mich auch.

Innerhalb von zwei Stunden leeren wir die erste Flasche Wodka, einige Biere und haben genug Methamphetamin intus, um eine ganze Elefantenherde auf Wasserbällen Schwanensee tanzen zu lassen, während Seelöwen die Bälle auf ihren Schnauzen balancieren. Wir packen fieberhaft Speed in Tütchen, das Keinschlaf am Tag zuvor gestreckt hat. (Kleiner Tipp unter Freunden: Chemische Drogen immer mit Koffein oder Paracetamol strecken. Niemals mit Traubenzucker oder ähnlichem Mist. Chemische Drogen sind in der Regel bitter. Traubenzucker ist vielleicht angenehmer zu ziehen, lässt Idioten aber über den Preis diskutieren.)

 

„Ein Tag im Winter“ von Luca

Aber der Sommer ist jetzt lange vorbei und die Temperaturen sind in den letzten Wochen stark gefallen. Der Wind, der immer kälter über den abgestorbenen Acker fegt, bläst unerbittlich die Frage zurück in unsere Köpfe: „Wer wird es dieses Jahr sein?“

Als wollten sie eine Antwort geben, zeigen die Bäume mit nackten, kalten Fingern auf uns. Schwanken mit morschem Knacken mal auf Skinny, mal auf mich, mal auf einen der anderen. Als zögerten sie noch, wen die Wahl treffen würde. Schwarz stehen sie da, in ihrem eigenen Schatten, und nur der Himmel dahinter ist weiß. Doch auch in ihn drängt die Dunkelheit: in Form von grauen Rauchschwaden, die jetzt wieder häufiger aus der Mitte des Waldes aufsteigen. Seit es kalt geworden ist, kündigen sie die Ankunft an.

 

„Mit dem ersten Schnee“ von Thomas Peters

Was will man auch von der Politik erwarten bei einem so unwichtigen, leisen Klientel? Die Schwarzen sind die Roten sind die Roten sind die Gelben sind die Grünen. Und denen fiel zur Lösung auch nichts Besseres ein, als ein Bettelverbot auszusprechen. Dadurch wurde zwar das Problem nicht gelöst, aber die einkaufende Bevölkerung weniger mit der Armut konfrontiert. Es versaut einem doch wirklich nichts mehr die Shopping-Laune als ein paar dreckige Penner! Da wird der Kunde nämlich bloß traurig und konsumiert weniger. Oder er bekommt Angst, selbst so zu enden und konsumiert gleich doppelt weniger. Und was sollen erst die Touristen sagen? In einer Stadt, in der sogar Straßenmusiker zum Casting beim Ordnungsamt vorspielen, ist eben an alles gedacht. Willkommen in der Weltstadt mit Herz!

 

 

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